Sie sind hier:   Startseite > Laufblog

Laufblog

Die Kunst sich selbst zu überraschen!

09.06.2015

Schon eine gute Weile betreibe ich Wettkämpfe nicht mehr als reinen Lebensinhalt, sondern lasse mich treiben und mache wonach mir der Sinn steht, aber natürlich habe ich nie ganz aufgehört Sport zu machen - dafür liebe ich die Bewegung einfach viel zu sehr, weshalb ich meinen Vereinen noch immer treu geblieben bin.

Aber wer so lange, wie ich nun schon als Exilbayer im schwäbischen Allgäu wohnt, der kann beim Wort Freistart einfach nicht nein sagen und dazu noch ein ganz neuer Lauf des Nächtens und auch ein hippes Trail zierte den Namen. Nun gut: meine Recherchen auf der Karte ergaben, daß mit Trail der feinschottrige Radweg entlang der Iller gemeint ist, welchen ich sogar schon mal notgedrungen für ein paar Kilometer mit dem Rennrad malträtiert hatte und entlang der Iller impliziert auch schon, daß es eher in die Richtung ultraflach gehen würde, statt wirklich in interessantes kupiertes Gelände - aber mein Interesse war geweckt.

Viel Training hatte ich nicht, war am Tag zuvor bei sengender Hitze noch auf einem Trail den Seelekopf hoch und im Staufner Haus auf ein Süppchen einkehren gewesen, was prompt auch einen kleinen Muskelkater einbrachte. Dennoch freute ich mich darauf nun am Folgetag des nächtens mit Stirnlampe in der Kühle der Nacht mal wieder an einen Wettkampstart zu gehen.
Kaum dort gewesen, hatte ich das Gefühl nie weg gewesen zu sein; die selben verrückten Laufjunkies, Vereinsmitglieder, Bergläufer, Ultramarathonis und alten Rennhasen waren natürlich pflichbewußt am Start, um ihre Kilometer abzuspulen.

Das Wetter dann gewittrig, leichter Nieselregen - mein Wetter - so liebe ich es! Also nicht zu übermütig gestartet, entspannt in die ersten Kilometer gegangen und festgestellt, daß ich überraschend leichtfüßig unterwegs bin... ach ja, Wettkampfschuhe <3.
Ich kenne mich, daher suche ich mir gezielt einen Bremsläufer, setze mir als Ziel ihn nicht zu überholen, immer schön neben ihm oder im Windschatten zu bleiben, Kräfte sparen und einteilen. So laufen wir beide - Kilometer für Kilometer - unsere Zwischenzeiten unterscheiden sich jeweils nur um Zehntelsekunden - er einen Schritt voraus.

Irgendwann zur Hälfte schließt ein dritter Läufer zu uns auf und als Pacegruppe geht es nun in die zweite Hälfte, die Sonne ist nun vollends untergegangen und der Regen nimmt zu. Doch zu dritt leuchten wir uns den Weg durch die Nacht, trotzen der Dunkelheit und können manchmal die Reflektion des Läufers vor uns in der Ferne ausmachen. In einer leichten Bergabpassage überholen wir ihn dann noch und begeben uns auf Kemptener Gebiet, meine zwei Mitläufer werden unruhig, taktieren, ziehen an, versuchen auzureißen. Doch dann ein Orientierungsfehler meines Pacers, er läßt sich von jubelden Frauen irritieren, schlägt kurz eine falsche Richtung über eine Brücke ein und ermöglicht unserem dritten Mann sich nach vorne abzusetzen.

Ich will ihn gar nicht überholen; er hat mich 23 Kilometer an seiner Seite gezogen, ohne ihn hätte ich nie dieses Tempo von 4:17min/km durchgestanden und setze mich daher sportlich hinter ihn. Man hört die Menschen im Ziel, den Kommentator, das Ziel ist zum Greifen nah, da werde ich überholt vom Läufer, den wir vorher gemeinschaftlich hinter uns gelassen haben. Er setzt sich zwischen mich und meinen Pacer, ich ihm auf den Fersen und wir passieren die Brücke - Ernüchterung! Nein, es geht nicht links direkt ins Ziel, erst noch eine Schleife in die Gegenrichtung - meine Kräfte neigen sich dem Ende, vorbei an brennenden Fackeln, um die Wendemarkierung, aber nun nur noch straight in Richtung Ziel. Letzte Kräfte werden mobilisiert, ein Endspurt nach fast 26 Kilometern, unsportlich streckt der Läufer vor mir den Arm zu Seite, um mich am Passieren zu hindern, aber es hilft ihm nicht! Er kommt er nach mir ins Ziel, wo wir in der  alten Turbinenhalle der AÜW unter Applaus empfangen werden.

Ich bin erschöpft, aber stolz. Stolz dieses Tempo über diese ungewöhnliche Distanz durchgehalten zu haben und nun guten Gewissens den Heimweg antreten zu können. Die Neugierde jedoch läßt mich meine Zeit prüfen - hatte der Kommentartor nicht etwas von Platz 13 geredet? Platz 13. von knapp 300 Startern? Sollte ich wirklich so weit vorne im Feld mitgelaufen sein? - Und ja! Die Anzeigetafel bestätigt es und zeigt weiterhin sogar einen 3. Platz AK an, welcher später durch Nettozeitkorrektur sogar noch zu einem 2. Platz werden sollte. Mein Spurt hat sich also noch gelohnt und auch wenn mir andere ohnehin immer mehr zutrauen als ich mir selbst, so hab ich mich mit dieser Leistung mal wieder selbst überrascht. 

Vielleicht ist es ein Zeichen und ich sollte wirklich wieder mehr laufen gehen udn wieder anfangen zu leben!

 
Powered by CMSimpleRealBlog
  |   Seitenanfang  |